Peter Ochs war ein grosser und begeisterter Briefeschreiber. Ich werde in den kommenden Wochen dieses Jahres regelmässig Auszüge aus seinen Briefen veröffentlichen, die seine persönlichen Verhältnisse und seine politischen Überlegungen reflektieren. Ich stütze mich dabei auf die von Gustav Steiner herausgegebene «Korrespondenz des Peter Ochs».
Woche 32
20. November 1797: Ochs in Basel an Philippe-César Laharpe in Paris
«Ce matin en Grand Conseil […] j’observais que l’aristocratie sur toute la surface du globe n’existait plus qu’en Suisse. Elle ne se trouve point dans les États-Unis; ella a disparu des sept Provinces-Unies [oder Generalstände, dem nicht zu Spanien-Habsburg gehörigen Teil der Niederlande, seit 1795 die zu Frankreich gehörige Batavische Republik], de la Pologne, de Venise, de Gênes. Peut-on croire que le ciel accordera un ange tutélaire particulier à l’aristocratie de nos cantons? Il n’est aucune monarchie où le prince ne puisse élever le dernier de ses sujets au premier rang; est-il croyable que dans notre petit coin de terre le monde entier s’accordera pour laisser substituer l’abus monstrueux qui exclut à jamais la très grande majorité des habitants de tout emploi? Eh bien! je me suis aperçu qu’on l’espère très sérieusement. Tel a observé que de pareilles réflexions sont très dangereuses, et annoncent ce que le cœur [von Ochs] désire [d.h. die Revolution]. Tel autre a rassuré sur l’issue des négociations de Rastatt [d.h. die Verhandlungen der Berner Delegation am Friedenskongress in Rastatt], et ainsi du reste.»
(«Diesen Vormittag habe ich im Grossen Rat […] bemerkt, dass die Aristokratie auf der ganzen Oberfläche des Globus nur noch in der Schweiz existiert. Sie fehlt vollständig in den Vereinigten Staaten; sie ist in den Vereinigten Niederlanden [oder Generalstände, dem nicht zu Spanien-Habsburg gehörigen Teil der Niederlande, seit 1795 der zu Frankreich gehörigen Batavischen Republik], in Polen, in Venedig und in Genua verschwunden. Kann man glauben, dass der Himmel der Aristokratie in unseren Kantonen einen speziellen Schutzengel zugestehen werde? Es gibt keine Monarchie, deren Fürst nicht die Macht besitzt, den niedrigsten seiner Untertanen in den obersten Rang zu erheben; ist es denkbar, dass alle Welt darin übereinkommen könne, in unserem kleinen Erdenwinkel diesen schrecklichen Missbrauch weiterbestehen zu lassen, der darin besteht, für immer den allergrössten Teil der Bevölkerung von jedem [nützlichen] Beruf auszuschliessen? Na gut! Ich musste feststellen, dass man dies wirklich ernsthaft hofft. Einer bemerkte, dass solche Überlegungen sehr gefährlich seien und offenlegten, was das Herz [von Ochs] wirklich begehre [d.h. die Revolution]. Ein anderer versicherte, man solle nur die Verhandlungen in Rastatt [d.h. die Verhandlungen der Berner Delegation am Friedenskongress in Rastatt] abwarten, und so weiter und so fort».)
(Steiner, Korr. II, Nr. 95, S. 107)
Kommentar: Noch vor seiner Begegnung mit Bonaparte am 24. November 1797 und vor der von Joseph Mengaud, dem offiziellen Vertreter Frankreichs in der Eidgenossenschaft, am 25. November übermittelten Einladung des Direktoriums zu Verhandlungen in Paris, hatte Ochs im Grossen Rat in Basel seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, dass nur eine «freiwillige» Revolution von oben, d.h. die rechtliche Gleichstellung der Untertanen, Basel und die Eidgenossenschaft vor einer Besetzung durch Frankreich retten könne. Er wiederholte damit Ansichten, die er bereits im Mai vor den Räten geäussert hatte (vgl. im Blog «Aus Ochs’ Korrespondenz» Brief an Leonhard Meister vom 13. Mai 1797). In Paris war nicht nur Laharpe darüber informiert, Mengaud hatte auch Direktor Jean-François Reubell darüber berichtet (vgl. Steiner, Korr. II, Nr. 411, S. 25, November 1797). In Basel konnte sich niemand der politisch Verantwortlichen Illusionen darüber machen, dass Ochs nach seiner Abreise nach Paris am 30. November 1797, von der Regierung offiziell mit Verhandlungen über die Abtretung des Fricktals betraut, dort nicht auch über die «Revolutionierung» Basels und der Eidgenossenschaft verhandeln werde.