Kampf für Meinungs- und Pressefreiheit
Die Garantie der Meinungs- und Pressefreiheit war ein Grundanliegen der Aufklärung, der politischen Reformer und der Revolutionäre des 18. Jahrhunderts. Demokratie ist ohne eine funktionierende politische Öffentlichkeit, die frei alle Fragen diskutieren und alles kritisieren darf, nicht denkbar. Wenn nicht mehr nur einige wenige Privilegierte willkürlich bestimmen sollten, sondern die Mehrheit aller Staatsbürger durch Abstimmungen, mussten verschiedene Standpunkte für alle hörbar und lesbar diskutiert werden können. Meinungs- und Pressefreiheit waren auch deshalb ein zentrales Anliegen der Reformkreise, weil sie wegen der Zensur ihre Ideen und Anliegen nicht zur Diskussion stellen konnten.
Ohne eine unabhängige und möglichst vielfältige Presse, die über die anstehenden politischen Fragen informiert und neue aufwirft, gibt es keine politische Öffentlichkeit.
Peter Ochs kämpfte – wie vor ihm schon Isaak Iselin (1728–1782) – mit der Geheimhaltung der Debatten in den Basler Räten und der Bücher- und Pressezensur, die jede öffentliche Diskussion der laufenden Politik oder über Veränderungen der bestehenden Ordnung im Keim erstickten. Es gab in Basel keine Zeitung, nur ein apolitisches Annoncenblatt, die «Wöchentlichen Nachrichten aus dem Baslerischen Berichthaus» (seit 1730, ab 1806 «Avis-Blatt») genannt. Die Versuche Iselins, ein allen offenstehendes politisches Café in Basel zu eröffnen, in dem Zeitungen auflagen und politische Diskussionen geführt werden konnten, scheiterten. Auch die Gründung der «Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige» 1777, zuerst noch «Aufmunterungsgesellschaft» genannt, und 1786 der Allgemeinen Lesegesellschaft brachten keine grundlegende Veränderung: Die hohen Mitgliederbeiträge verhinderten, dass bisher von der Politik ausgeschlossene Kreise an den Diskussionen teilnehmen konnten. Die Bevölkerungsmehrheit, die Landbevölkerung, blieb ausgeschlossen.
Offenes Bekenntnis zur Revolution
Die Revolution in Paris im Sommer 1789 stellte deshalb in den Augen von Peter Ochs einen historischen Wendepunkt dar. Mit der «Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte» am 26. August 1789 waren die «natürlichen Rechte» jedes Menschen in Frankreich «positives Recht» geworden, d.h. von der Verfassung und vom staatlichen Rechtssystem geschütztes Recht, das vor Gericht eingefordert werden konnte, das betraf auch die Meinungs- und Pressefreiheit.
Im November 1789 liess Ochs unter seinem Namen und seinem Amtstitel im «Journal d’Etat et du Citoyen», herausgegeben von Louise-Felicité de Kéralio (1758-1822), in Form eines Leserbriefes ein öffentliches Bekenntnis zur Revolution und der französischen Revolutionsverfassung abdrucken. Er erklärte, er unterstütze mit seinem Abonnement die Zeitschrift, da der Presse und der Pressefreiheit eine zentrale Rolle zukomme, um eine politische Öffentlichkeit zu schaffen und durch öffentliche Diskussionen die Ideen der Revolution allgemein zu verbreiten und durchzusetzen. In Basel war Ochs wegen der Zensur eine solche öffentliche Stellungnahme nicht möglich. Auch sein Amtseid verbot ihm offene Kritik an der bestehenden Regierung. Er bewegte sich auf dünnem Eis. Er war nur durch seinen sozialen Status vor strafrechtlichen Konsequenzen geschützt.
Ochs ging aber noch einen Schritt weiter. Er verbreitete seinen Leserbrief auch in Basel. Er liess ihn auf eigene Kosten drucken, um ihn privat unter seinen Freunden und Bekannten zu verteilen. Eine im Familienarchiv Ochs/His erhaltene Bücherrechnung von 1789 enthält die Notiz: «Extrait du Journal etc. auf 1 Bogen gross Median gedruckt durch Thurneysen. 200 Stück 24. frs.» (zitiert nach Steiner, Korrespondenz I, S. 222, Anm. 2). Wir wissen von diesem Privatdruck und der Verteilaktion auch aus seiner Korrespondenz.
Meinungsforschung unter den Gegnern
An seinen Freund Leonhard Meister (1741–1811) schrieb er am 17. Dezember 1789 (vgl. Steiner, Korrespondenz I, Nr. 155, S. 222-225; Übersetzung aus dem Französischen von Sara Janner): «Sie waren also zufrieden mit meinem politischen Bekenntnis [d.h. mit dem oben erwähnten Text in der Pariser Zeitung]. Umso besser, lieber Freund. Das beweist erneut, dass unsere Herzen im gleichen Takt schlagen. Es hat hier [in Basel] bereits Proselyten gemacht und ich sehe, wie die Zahl der Freunde der Französischen Revolution jeden Tag anwächst.» Ochs wunderte sich über das mangelnde Interesse vieler Schweizer an den politischen Umwälzungen in Frankreich, dessen Ursachen man nachgehen müsste: «Es ist einzigartig zu sehen, wie viele Schweizer die Freiheit der Franzosen nicht lieben; das macht ihrem Urteilsvermögen keine Ehre […] Es scheint mir, dass man in der Revolution Frankreichs eine neue Wohltat der Vorsehung sehen muss. – Es wäre nötig, dass es in jedem Kanton einen Beobachter gäbe, die nach den lokalen Ursachen dieses mangelnden Interesses forschten, das wir an dieser grossen Revolution nehmen.»
Basler Gegner der Revolution
Für Basel beantwortete er die Frage gleich selbst: «Was meinen Kanton angeht, stelle ich fest, dass es keine allgemeinen Ursachen dafür gibt, sondern nur eine Ansammlung von Einzelursachen. Einige Offiziere fürchten um ihre Pensionen oder ihre zukünftige Besoldung; andere, trunken von soldatischem Gehorsam, ertragen es nicht, dass der Untergebene selbständig nachdenkt. Einige Magistraten, die sich, weil sie nicht aus ihren Ämtern entfernt werden können und wegen der Hoffnung auf das Fortkommen ihrer Kinder, für vornehme Herzöge und Fürsten halten, lieben es gar nicht, dass sich die Idee der Volksrechte (principes populaires) ausbreiten; einige lieben die Willkür (le pouvoir arbitraire); andere sind Jagdbegeisterte, lieben das Fischen etc. Einige Geschäftsleute haben nur ihre Kommissionen (agiotage) und ihre Bank im Kopf, und möchten, dass die Nationalversammlung Geld liefere [für die Staatsanleihen] vor der Verfassung, weil es ihnen nichts bedeutet, dass die Menschheit frei und glücklich wird, wenn sich ihre Geldkisten (coffre fort) nicht füllen, und sie denken nicht entfernt daran, dass das [verlorene] Geld der Preis für die Verfassung ist und ohne den Erfolg der Nationalversammlung der Staatsbankrott unvermeidbar gewesen wäre. Viele unserer Handwerker leiden am «Spiessbürgergeist» [deutsch im Original] und hassen die Bauern, die sie nicht aufhören, «Leibeigene» [deutsch im Original] zu schimpfen. Andere haben Angst, die «Zunftbrüder» [deutsch im Original] möchten eine Teilhabe an den Zunftwahlen [d.h. ihre Vorgesetzten, die Gross- und Kleinräte, selbst wählen]. Es gibt solche, die in ihrer Dummheit die Revolution für das Verbot, Getreide zu exportieren, verantwortlich machen, während dies doch eine alte Klage gegen den französischen Hof ist, und überhaupt dieses Verbot nur provisorisch gilt wegen der drängenden Zeitumstände. Einige, die die Anglomanen mimen, ertragen die Idee nicht, dass die Franzosen freier sein wollen als die Engländer. Die Geistlichkeit und vor allem die Pietisten, die unsere Zehnten und Grundzinsen im Elsass in grosser Gefahr sehen und weil man diese Revolution den Schriften von [Jean Jacques] Rousseau, Voltaire und [Abbé] Raynal zuschreibt, gegen die sie seit zehn Jahren donnerten ohne sie in Frage stellen zu können, enragieren sich jetzt und schreien lauthals, dass nicht die Freiheitsliebe, sondern der «Irrgeist des Satans» und der «Mangel am Glauben» [deutsch im Original] es sei, wie wenn es im Brabant im Gegenteil nicht der übertriebene Glaubenseifer gewesen ist, der das Volk in Bewegung gebracht hat [Anspielung auf die gescheiterte Revolution der «Patrioten» in Holland 1787]. Fügen sie zu diesen Schreiern die Wirte, die die Revolutionsflüchtlinge reich machen, die Ignoranten, die diese Flüchtlinge mit ihren Märchen und Gerüchten überzeugen können, endlich die Hohlköpfe, die keine andere Meinung kennen als die der anderen; Sie würden sich nicht wundern festzustellen, dass man in Basel, wo es keine Adligen gibt, keine katholischen Geistlichen, und wo die niedrigsten Gewerbe den Kleinen Rat (conseil executif) und die Gerichte verseuchen, aristokratisch ist. Aber ich hoffe doch, dass sich das schliesslich noch ändern wird.»
Meinungsstreit statt Bürgerkrieg
Ochs schliesst seinen Brief an Meister hoffnungsvoll: «Sie beobachten gewiss, dass es nicht die Pressefreiheit ist, die schädlich ist, sondern die Willkür (le pouvoir arbitraire). Ich frage Sie: Lasen die ersten Schweizer [die zweihundert Jahre Krieg führten im Namen der Freiheit]? Die Pressefreiheit, im Gegensatz dazu, wird dazu beitragen, dass die Revolutionen stattfinden werden ohne Bürgerkriege.»
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